Tinnitus

Millionen von Menschen haben Tinnitus:
Bereits jeder sechste von uns hat irgendwann in seinem Leben Erfahrungen mit Ohrgeräuschen/Ohrensausen in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen gemacht.
Mit „Tinnitus“ bezeichnet man Hörempfindungen unterschiedlichster Art, die nicht von einer Schallquelle außerhalb des Menschen erzeugt werden und deshalb auch keine Signal- oder Informationsfunktion haben. Beim relativ seltenen „objektiven Tinnitus“ liegt eine interne Schallquelle im Patienten vor, so dass die Geräusche beispielsweise mit dem Stethoskop gehört werden können. Beim subjektiven Tinnitus kann außer dem Betroffenen selbst niemand sonst die Geräusche hören, die aus immer noch nicht ganz aufgeklärten Gründen auf Grund von Funktionsstörungen im Innenohr von unserem Gehirn „gedacht“ werden, ohne aber auf Einbildung zu beruhen.

Für einen Nichtbetroffenen ist es völlig unverständlich, wie Tinnitus wirkt und welche unterschiedlichen und oft grausamen Auswirkungen er haben kann. Ist er für den einen Betroffenen nur leicht irritierend, so ist er für einen anderen Betroffenen ein großer, lebensverändernder und sich ständig erneuernder angstbesetzer Streß mit eingreifenden Auswirkungen auf Ausbildung, Beruf, Gesundheit und die sozialen Beziehungen.

Geräusche aus dem Nichts

Der Betroffene hört manchmal oder dauernd in einem Ohr, in beiden Ohren oder auch im ganzen Kopf Geräusche mit sehr unterschiedlichen Formen und Lautstärken, wie z.B. Sausen, Zischen, Klopfen, Dröhnen, Knarren, Knallen, Klingeln usw. Die Lautstärke kann den Geräuschen von Blätterrascheln entsprechen, aber auch einem Mopedgeräusch, ohne das es möglich ist, von der – subjektiv empfundenen – Lautstärke auf den Schweregrad der psychischen Belastung zu schließen. Vor allem in der angstbesetzten Anfangsphase kann diese stärker sein als nach einer gewissen Gewöhnungszeit.

Jeder Betroffene hat vermutlich seinen speziellen Tinnitus mit ganz individuellen Ursachen und Auswirkungen, die in Verbindung mit der individuellen Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen eine ganz spezifische Konstelation bilden.

Beim dekompensierten (nicht erträglichen) Tinnitus verbinden sich psychische Beeinträchtigungen mit dem Geräusch zu einem scheinbar unlösbaren Komplex (komplexer Tinnitus). Das können Depressionen sein mit Lebensverdrossenheit, Antriebsschwäche, Schlafprobleme, Ängste, soziale Isolation u.a.m.

Deshalb muß jeder Betroffene zusammen mit seinem Arzt oder Psychotherapeuten seine ganz individuelle Therapie suchen und finden.

Manche Menschen haben ihren Tinnitus vermutlich schon von Geburt an. Im Laufe des Lebens ergeben sich eine Reihe von vermeidbaren Gefährdungen, insbesondere durch Lärmeinwirkung (Walkman, Disco, Rockkonzert, Arbeitsplatz) und Knalleinwirkung (Sylvester, Jagd, Bundeswehr).
Lärm ist zu 30% ursächlich. Deshalb werden Maßnahmen gefördert, die über die Erziehung zur gesundheitlichen Selbstverantwortung zu mehr Hördisziplin führen.
Weitere denkbare Ursachen dieser Störung unseres Hörsystems können z.B. sein:
Herz-, Kreislauf- und Durchblutungsstörungen, Hörsturz, Schwerhörigkeit, Stoffwechselstörungen, Anomalien im Bereich der Halswirbelsäule oder des Kiefergelenks, Diabetes, Menière-Krankheit (Drehschwindel), Otosklerose, zahlreiche Medikamente oder auch ein Akustikusneurinom (Geschwulst am Hörnerv), Allergien usw.

Manche Ursachen sind auch im psychischen Bereich zu suchen. Möglicherweise liegt sowohl dem Tinnitus wie auch den auslösenden Faktoren ähnlich wie beim Hörsturz und bei vielen anderen chronischen Krankheiten häufig eine langjährige psychische Problematik zugrunde: Wir erleben Tinnitusbetroffene – wie auch andere chronisch Kranke – oft als Menschen, die an sich und andere (zu) hohe Ansprüche stellen.
Ob auch Streß zu den Tinnitusauslösern gehört, ist noch ungeklärt. Sicher ist aber, daß der Tinnitus seinerseits für den Betroffenen den stärksten Streßfaktor in seinem Leben darstellt und Streß zur weiteren Verstärkung der Ohrgeräusche führen kann. Deshalb ist Streßbewältigung für jeden Tinnitusbetroffenen ein wichtiges Thema.

Tinnitus ist keine Krankheit, sondern primär ein Krankheitssymptom (Krankheitszeichen), kann sich aber im Laufe der Jahre verselbständigen. Der Arzt ist deshalb gehalten, gemeinsam mit weiteren Fachärzten den Ursachen sorgfältig nachzugehen. Gefragt sind hier außer dem Allgemeinarzt z.B. der HNO-Arzt, der Internist, der Orthopäde (Halswirbelsäule), der Zahnarzt (Kiefergelenke), der Neurologe bzw. Nervenarzt und der Psychologe.

Der Verlust der Stille

Der nicht kompensierte Tinnitus kann infolge seiner psychischen Auswirkungen zu einer erheblichen Lebensbeeinträchtigung führen. Sie bezieht regelmäßig auch die Familie des Betroffenen mit ein. Der Verlust der Stille, ständige Geräusche und das Gefühl von Unentrinnbarkeit führen nicht selten zu Depressionen, Verhaltensstörungen, Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten und zur Zerstörung des Lebenswillens. Das wird durch das Unverständnis der Umwelt so sehr verstärkt, dass sich für den schwer Betroffenen fast täglich in quälender Weise die Frage nach seiner eigenen Identität stellt. Sehr oft sind Lebensplanung und -entfaltung und Arbeitsfähigkeit in Frage gestellt, und das in zunehmenden Maße schon in jungen Jahren.

Tinnitus kann auf Grund der psychischen Dauerbelastung zu Depressionen und Angststörungen führen. Das kann weitere Komplikationen in Beruf oder Familie sowie eine Verschlechterung der allgemeinen Gesundheit nach sich ziehen. Deshalb ist es das erste Anliegen eines jeden Betroffenen, diese Folgen wie auch eine weitere Verschlechterung des Tinnitus zu vermeiden oder zu bewältigen.
Dafür gibt es gute Chancen.

Nein. Grundsätzlich nicht. In der Regel hat er auch keine gefährlichen Ursachen, abgesehen von einem denkbaren Akustikusneurinom, von dem etwa 2000 Deutsche betroffen sind. Eine Verschlechterung des Tinnitus tritt vermutlich nur in 7% aller Fälle ein.

Über technische Tinnitushilfen informieren Sie sich bitte in unserem Fachgeschäft. Aufgrund der vielschichtigen Erscheinungsformen ist eine individuelle Beratung notwendig.